Johari-Fenster: Selbst- und Fremdwahrnehmung

Selbst- und Fremdwahrnehmung

Im Alltag bilden wir uns schnell ein Bild von anderen Menschen. Dies geschieht zumeist unbewusst, ohne unsere Eindrücke und Beobachtungen großartig zu hinterfragen. Auf Grundlage unserer Erfahrungen entwickeln wir spontan Urteile über die Eindrücke und nehmen eine Verallgemeinerung vom Beobachtbaren vor.
Das Wahrgenommene wird von unserem Gedächtnis in seine vorhandenen Schemata eingeordnet. Diese berühmten „Schubladen im Kopf“ werden durch Annahmen und Denkgewohnheiten noch weiter ergänzt. So wird innerhalb weniger Momente das spontane Bild unseres Gegenübers gebildet. Wir ordnen die Person einer vorhandenen Schublade zu, während sich unser Unterbewusstsein die Frage stellt:

„Welche Eigenschaften besitzen diese Menschen und welche Bedeutung haben diese Eigenschaften für mich?“

Wir beurteilen automatisch jeden Menschen, der uns in unserem Alltag oder Berufsleben begegnet. Dabei fließen ständig die unterschiedlichsten Faktoren wie Aussehen oder Auftreten in unsere Beurteilung ein. Wir begegnen immer wieder unbekannten Personen und wollen deren Absichten und Motive erfahren. Kennen wir die Absichten und Interessen unseres Gegenübers, können wir uns besser auf sie einstellen und uns dementsprechend verhalten. Wir können gegebenenfalls sogar ihr Verhalten voraussehen und uns so vor ungewünschten Überraschungen schützen.

Besonders wichtig ist dieses Wissen über die Interessen und Absichten dort, wo mehrere Menschen zusammenarbeiten, die sich vorher kaum oder gar nicht kannten. Die Menschen sortieren sich gegenseitig in die Schubladen in ihren Köpfen ein und es bilden sich Neigungsgruppen. Weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden gesucht und die Sortierung in den Schubladen vielleicht nochmals revidiert. Durch weitere gruppendynamische Prozesse bilden sich daraufhin Gruppen, die durch Konformität konstruktiv miteinander arbeiten oder sich durch Konkurrenzgedanken und Neid gegenseitig behindern.

Eine essentielle Rolle spielt dabei die Wahrnehmung des Einzelnen, sowohl von sich selbst, als auch durch die Gruppe. Dabei geht es um das Selbstbild und das Fremdbild von einem, also um die Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Die Kollegen im Job, die eigenen Kinder, Freunde und Bekannte nehmen uns meist anders wahr als wir es selbst tut – denn sie entdecken an uns Eigenschaften, die wir selbst vielleicht gar nicht kennen. Dieses Fremdbild kann sich somit erheblich von unserer Selbstwahrnehmung unterscheiden.
Für ein stimmiges Selbstbild zählen also zwei Perspektiven, die Innenperspektive (Selbstwahrnehmung) und die Außenperspektive (Fremdwahrnehmung). Die Innenperspektive beinhaltet alles, was der Mensch potenzielle über sich selbst wissen kann. Dazu gehören unter anderem unser Gefühlsleben, unsere Gedanken, Ängste, Sehnsüchte und Wünsche. Die Außenperspektive meint alles, was unsere Mitmenschen über uns wissen können.
Wie können wir ein stimmigeres Selbstbild erlangen? Das so genannte „Johari Fenster“ ist ein einfaches Analysemodell, das auf Einzelpersonen und Teams angewendet werden kann.

Das Johari-Fenster

Das Johari Fenster wurde von den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt, aus deren Vornamen sich der Name ableitet. Seit 1955 verdeutlicht das Johari Fenster, dass sich Selbst- und Fremdwahrnehmung in aller Regel nicht entsprechen.

Das Modell hat das Ziel, den persönlichen Handlungsspielraum zu vergrößern und transparent zu gestalten. Wie bei einem (etwas älteren) Fenster gibt es vier Felder beziehungsweise Bereiche. Jeder dieser Felder steht für Bereiche von unserem Selbstbild, die uns oder anderen entweder bekannt oder unbekannt sind.

Vier Bereiche können unterschieden werden:

  • Die öffentliche Person
    Der öffentliche Bereich des freien Handelns deckt alles ab, was uns und anderen bekannt ist. Dazu zählen unser Verhalten und unsere Fähigkeiten, aber auch bestimmte Charakterzüge, alles was ich bewusst von mir preisgebe. Hier decken sich Selbstbild und Fremdbild.
  • Der Blinde Fleck
    Hierzu gehören alle Eigenschaften, die mir selbst nicht bekannt sind, von anderen aber wahrgenommen werden. Dabei geht es um Dinge, die ich aus physischen Grünen nicht wahrnehmen kann, (un)bewusst ausgeblendet habe oder nicht sehen möchte. Es geht um die Wirkung auf mein Gegenüber, also um Inhalt, Stimme und Äußerlichkeiten wie Körpersprache. Ein Beispiel dafür ist unser unbewusstes Verhalten bei Vorträgen oder Kundengesprächen.
Das Johari-Fenster - So groß kann die Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung sein
  • Mein Geheimnis
    Der Bereich des Verborgenen umfasst die Aspekte unseres Denkens und Handelns, die wir vor anderen bewusst verbergen (die heimlichen „Wünsche“ und empfindlichen „Stellen“). Durch Vertrauen und Sicherheit zu anderen kann dieser Bereich erheblich eingegrenzt werden und in den öffentlichen Bereich wandern.
  • Unbekanntes
    Der Bereich des Unbewussten umfasst den Teil, der weder uns noch anderen unmittelbar zugänglich ist. Ein Beispiel dafür sind verborgene Talente und ungenützte Begabungen.

Konstruktives Feedback

Durch beständiges Feedback von Außen können wir unser Selbstbild mit dem Fremdbild abgleichen. Dadurch kann der Blinde Fleck verkleinert werden, unser Selbstbild erweitert sich noch mehr und der öffentlicher Bereich wächst weiter. Durch diese neuen Erkenntnisse über uns selbst haben wir einen erweiterten und flexibleren Handlungsspielraum.

Voraussetzung dafür ist aber ein konstruktives und leistungsorientiertes Feedback. Auf vermeintliche Defizite und störende Elemente hinzuweisen ist wichtig, noch wichtiger ist es allerdings die Stärken zu stärken und sie noch hervorzuheben. Zudem sollte der Empfänger auch bereit für ein Feedback zu sich und seinem Auftreten sein. Ansonsten verfehlt jedes noch so gut gemeinte Feedback seine Wirkung und kann sogar ins negative Auswirkungen haben.

Wer hingegen interessiert an seiner Außenwirkung ist und an sich arbeiten möchte, dem kann das Johari Fenster eine große Hilfe sein, mehr über sich zu erfahren. So werden wir selbstbewusster, können unsere unliebsamen und störenden Angewohnheiten ausgleichen und besser auf Störungen reagieren.

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