Unsere moderne Welt hält tagtäglich abertausende Reize für uns bereit, die wir alle irgendwie wahrnehmen. Manche bewusst, noch viel mehr unbewusst. Unser Gehirn versucht all dies zu verarbeiten und erbringt dabei Höchstleistung. Auf einige dieser Reize müssen wir natürlich auch reagieren. Sei es angesprochen zu werden und unserem Gegenüber zu antworten, an einer roten Ampel stehen bleiben oder zu entscheiden, wo wir eine Straße am besten überqueren sollen. Wir müssen die aufkommenden Reize also auch zu einem gewissen Anteil reflektieren. Welche Antwort ist zielführend oder gar gewünscht? Was passiert, wenn ich nicht bei rot an der Ampel stehen bleibe? Weshalb ist diese Stelle besonders geeignet, um sicher die andere Straßenseite zu erlangen?
Mit dem Begriff Reflexion ist ein prüfendes und vergleichendes Nachdenken gemeint. Im Arbeitskontext kann Reflexion ein wirksames Instrument sein, um Prozesse und Handlungsweisen sinnvoll zu verändern, vor allem in Kombination mit konstruktivem Feedback. Bekommen wir also für unsere Tätigkeiten regelmäßig ein eben solches konstruktives und wertschätzendes Feedback, können wir unser Verhalten und das Ergebnis unserer Arbeit kritisch hinterfragen und in einen Gesamtkontext einordnen.
Konstruktive Kritik ist dabei mit wertschätzendem Feedback gleichzusetzen. Dabei sind wir aber nicht nur auf Feedback von außen angewiesen. In uns selbst steckt schon alles, was wir für eine Reflexion der eigenen Handlungen benötigen. Damit bewegen wir uns im Bereich der Selbstreflexion. Und diese kann eine echte Herausforderung sein. Da wir selbst oft unser größter Kritiker sind, gibt es dabei noch einige Dinge zu beachten, damit wir auch in einer konstruktiven und wertschätzenden Reflexion bleiben können. Dazu später im Text noch einige Hilfen.
Statt Selbstreflexion werden häufig auch die Begriffe Selbstwahrnehmung oder Selbstbeobachtung synonym benutzt. Gemeint ist dabei immer die Fähigkeit, sich selbst und sein Handeln kritisch-realistisch zu hinterfragen. Neben dem Hinterfragen der eignen Handlungen geht es auch darum herauszufinden, welche Emotionen oder Gründe uns (immer wieder) antreiben.
Weshalb sollte ich mich immer wieder selbst reflektieren? In großen Teilen unserer schnelllebigen Gesellschaft fehlt uns immer häufiger die Zeit, um bewusst auf uns selbst zu blicken. Der alltägliche Entscheidungszwang bei so vielen Dingen ist dabei auch nicht unbedingt hilfreich.
Tauchen Probleme auf oder sehen wir Fehler, suchen wir die Schuld dafür schnell und gerne im Außen und ziehen selten in Betracht, dass wir die Ursache sein könnten. Oder dass die Lösung in uns selbst liegt, wir sie aber einfach nicht sehen können (oder wollen). Die auf uns eindonnernden Reize verhindern eine direkte Selbstreflexion, weil wir im ständigen Modus des Reagieren bleiben, statt ins Agieren zu kommen. Es ist deshalb umso wichtiger, sich bewusst zu reflektieren und dies zu trainieren. Irgendwann kann unser Gehirn daraus einen Automatismus machen, doch das setzt etwas Mühe und Zeit voraus.
Was für Vorteile ergeben sich aber aus einer kritisch-realistischen Selbstbetrachtung? Wir bekommen die Möglichkeit, aus unseren „Fehlern“ zu lernen. Damit erlangen wir immer mehr Konfliktlösungsstrategien und können Entscheidungen leichter treffen. Wir können unsere Ziele leichter formulieren und konstruktiv auf sie hin arbeiten, wodurch wir mehr Glück und Erfolg verspüren und unser persönliches Wachstum selbst erkennen können. Wir können uns von ungewollten Zwängen der Außenwelt reflektiert emanzipieren und so unsere eigene Authentizität fördern.
Tipps für eine bessere Selbstreflexion, Selbstwahrnehmung:
Der immer hektischer werdende Alltag schenkt uns nur selten die Möglichkeit, sich ausgiebig mit sich selbst beschäftigen zu können. Unsere Zeit ist bei all den Terminen, Verpflichtungen und Notwendigkeiten immer knapp und so vieles wird oft von Außen bestimmt. Damit wir uns konstruktiv mit unserem Inneren beschäftigen können, ist Ruhe und eine entspannte Grundhaltung notwendig.
Nur so können wir frei von zu starken Emotionen über die Vergangenheit und die Zukunft nachdenken, um daraus Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen. Dafür ist es hilfreich, feste Zeitfenster oder Termine für sich selbst festzulegen, die nur einem selbst gehören. Das alles braucht seine Zeit. Für ungeduldige Menschen kann das besonders anstrengend sein, aber eine tiefe und ehrliche Selbstreflexion gelingt leider nicht durch ein paar Übungen an einem Tag. Es ist ein Prozess, der Geduld und Hingabe verlangt. Statt einem Sprint mit schnellem Ziel ist es eher mit einem Marathon zu vergleichen.
Einen Marathon können nur die wenigsten einfach so laufen. Wir brauchen Übung und Training, um fit genug sein zu können. Wir müssen unseren inneren Schweinehund überwinden und dran bleiben, auch an weniger guten Tagen. So ist es auch bei der Selbtwahrnehmung. Stück für Stück, Tag für Tag erfahren wir mehr über uns, können uns besser einschätzen, lernen stetig dazu und verstehen uns immer besser. An manchen Tagen wird es uns leichter fallen, unser Innerstes wahrzunehmen, an anderen Tagen umso schwerer. Wir können der Versuchung unterliegen, einen selbst festgelegten Termin zu verschieben oder ganz abzusagen mit dem Gedanken „Ach, heute habe ich keine Lust“. Aber je länger wir uns bewusst selbst reflektieren, umso leichter fällt es uns irgendwann. Es ist also sehr ratsam aus der Reflexion von sich selbst eine feste Gewohnheit zu machen und es zur Routine werden zu lassen. Selbstreflexion ist ein langwieriger Prozess, der ein Leben lang andauert und bei dem es meist nur schrittweise voran geht. Es ist eben kein Sprint.
Neben den Fragen, die man sich stellen kann, um seinen letzten Tag reflektiert einzuordnen, sollte auch ein gewisses Augenmerk auf besondere, herausfordernde Situationen gelegt werden. In diesen kommen wir schneller an unsere Grenzen der Komfortzone und müssen unsere Handlungsstrategien anpassen. Nach einer solchen herausfordernden Situation, egal ob sie für einen positiv oder eher negativ ausging, sollte nochmal genauer hingeschaut werden, was wirklich passiert ist. Warum habe ich mich so verhalten? Was hätte ich anders machen können? Welche Schritte haben mich zum Erfolg oder Misserfolg geführt? Wie schaffe ich das nochmal? Mit Fragen wie diesen kann aktiv aus Situationen gelernt und ein Erfolg leichter wiederholt werden.
Eine gute Reflexionsfähigkeit ist nicht nur nach herausfordernden Situationen hilfreich, sondern schon vorher. Als eine Art Vorbereitung auf diese. Ein typisches Beispiel dafür ist ein Vorstellungsgespräch. Wer sich schon vorher ausgiebig mit seinen Handlungsmotiven, dem eigenen Verhalten, den Werten und Erwartungen auseinandergesetzt hat, wird die typischen Fragen eines solchen Gespräches nach den eigenen Fähigkeiten viel leichter beantworten können. Doch auch bei Gesprächen mit Kunden, bei bevorstehenden wichtigen Aufträgen, bei Aufgaben, die einem Angst machen oder bei anstrengenden Gesprächen im Freundeskreis oder in der Familie, überall kann eine vorherige Auseinandersetzung mit sich selbst der entscheidende Unterschied sein.
Wie das Wort Selbstreflexion schon ausdrücken soll, geht es in erster Linie um einen selbst. Das heißt, die eigenen Wahrnehmungen, Empfindungen und Emotionen anzunehmen, zuzulassen und ernst zu nehmen. Auch wenn es vor allem zu Beginn vielleicht albern oder komisch wirken könnte, alles hat irgendeinen Ursprung in uns selbst und damit auch ihre Berechtigung. Schieben wir ungewohnte oder unbekannte Gefühle als plötzliche Spinnerei beiseite, verpassen wir eine wichtige Möglichkeit uns selbst besser zu verstehen und belügen uns gegebenenfalls selbst. Was uns direkt zum nächsten Punkt bringt.
Wir Menschen tendieren nicht nur dazu, selbst unser größter Kritiker zu sein, sondern auch uns wunderbar selbst belügen und betrügen zu können. Die Selbstreflexion ist hingegen das genaue Gegenteil davon. Ziel ist es, dass wir möglichst viel über uns selbst herausfinden und nicht, um im besseren Licht dazustehen. Diese Ehrlichkeit kann manchmal unangenehm sein, beispielsweise bei der Erkenntnis über eine Teilschuld an vergangenen Problemen. Doch aus Fehlern zu lernen ist eine der größten Stärken der Menschen. Und nur, wenn wir über die Stellschrauben bei unseren Fehlern Bescheid wissen, können wir auch an ihnen drehen.
Bei all der Selbstkritik und der Erkenntnisse über vergangene Fehler sollten wir etwas sehr wichtiges nicht vergessen: Gnädig zu sich selbst zu sein! Es soll nicht darum gehen, sein Selbstwertgefühl nach unten zu ziehen. Mache dich selbst nicht schlechter als du bist, auch nicht in deinen Gedanken. Schließlich ist niemand perfekt und irgendwo passieren uns allen mal kleinere oder größere Fehler. Wie heißt es doch so schön: irren ist menschlich. Also bitte nicht immer nur sich selbst kritisieren, sondern es auch mal Gut sein lassen und wieder entspannt nach vorne blicken.
In den aller seltensten Fällen sind unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung genau deckungsgleich. Viel häufiger passiert es, dass sie sehr weit voneinander entfernt liegen. Dies kann sowohl in Richtung der Selbstunterschätzung gehen, als auch in Richtung der Selbstüberschätzung. Für einen solchen Abgleich der beiden Wahrnehmungen ist es dementsprechend hilfreich, sich die Wahrnehmung anderer schildern zu lassen.
Feedback aus unserer Außenwelt ist sehr wichtig. Nur so können wir abschätzen, ob unser Handeln der Situation angemessen war. Wer nicht geübt im Umgang mit Feedback (empfangen) ist, sollte sich vor allem zu Beginn Menschen aus seinem Umfeld suchen, die einem wohl gesonnen sind, aber auch dazu bereit sind, die Wahrheit zu sagen. Feedback ist ein Geschenk und sollte auch bei Kritikpunkten immer wertschätzend formuliert werden. Zu bedenken ist vor allem beim Empfangen von Feedback, dass jeder Mensch die Welt durch gewisse Wahrnehmungsfilter interpretiert und alles Gesagte immer nur direkt von dieser Person so wahrgenommen wird. Die Aussage besitzt keine allgemeine Gültigkeit, sie ist überaus subjektiv. Darum ist es hilfreich, die Meinungen bzw. Wahrnehmungen mehrerer Menschen mit der eigenen zu vergleichen. So fällt es auch leichter, beim Kritik nehmen das Positive zu erkennen und fördert die Kritikfähigkeit. Hier gibt es noch mehr wissenswertes zu Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Methoden für mehr Selbstreflexion:
Nicht jeder ist von Anfang an gut darin, sich selbst einzuschätzen. Doch das Gute bei der Selbstreflexion ist: jeder kann es lernen. Mit den folgenden Übungen ist ein einfacher Einstieg in dieses Thema möglich. Durch häufige Wiederholungen wird es irgendwann zu einem Ritual, auf das man irgendwann nicht mehr verzichten möchte.
Eine einfache Übung ist es, den gesamten Tag am Abend einmal Revue passieren zu lassen. Lass daraus ein Abendritual werden und notiere dir zum Beispiel drei besonders positive Dinge des Tages oder gib deinem Tag eine Überschrift, die alles in einem kurzen Satz zusammenfasst. Du kannst dir auch überlegen, was du am nächsten Tag anders machen oder wiederholen möchtest. Schreibe vor allem abends deine Gedanken aus dem Kopf raus, das verhindert das Grübeln im Bett und verbessert den Schlaf.
Nach einem ähnlichen Prinzip können schon vorgefertigte Tagebücher oder Apps genutzt werden, die einen täglich durch ausformulierte Fragen zum Reflektieren bringen können. Ein Vorteil davon ist, vor allem bei den Apps, dass sie einen zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages daran erinnern, mal kurz inne zu halten und sich selbst zu beobachten. Das raubt dem inneren Schweinehund die Energie und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir die Selbstreflexion nachhaltig in unseren Alltag integrieren werden.
Meditation eignet sich besonders gut zur Selbstwahrnehmung. Zum Einen schaffen wir ein angenehmes Ambiente und nehmen uns bewusst Zeit für Entspannung. Zum Anderen gibt es auch geführte Meditationen und Meditationstechniken, bei denen die Reflexion von einem selbst schon im Mittelpunkt steht. Die besondere Atmosphäre, die bei einer Meditation entsteht, regt zu einer noch stärkeren Achtsamkeit an und kann ganz andere Erkenntnisse liefern, als das bloße Nachdenken über ein Thema.
Für eine tiefgründige Selbstreflexion sind, neben der regelmäßigen Durchführung, die richtigen Fragen natürlich besonders wichtig. Ohne passende Fragen, die in manchen Situationen auch mal unangenehm sein dürfen, werden nur schwerlich sinnvolle Ergebnisse erzielt werden können. Wir haben im Folgenden ein paar Impulsfragen zusammengetragen, mit denen sofort gestartet werden kann. Die Fragen können aber sehr gut mit in die Abendroutine, das Tagebuch oder die Meditation integriert werden.
- Wofür bin ich dankbar?
- Bin ich unzufrieden? Wo und warum?
- Was kann ich morgen besser bzw. anders machen?
- Was kann ich gut?
- Welche Ziele sind mir wichtig?
- Was sind meine Lernfelder? (von vielen auch „Schwächen“ genannt)
- Wo und wie bereichere ich das Leben von anderen?
- Worauf könnte ich eigentlich verzichten, tue es aber nicht?
- Gibt es Dinge oder Personen, die mich an meinem Erfolg hindern?
- Wo, wann und wie stehe ich mir selbst im Weg?
- Worin will ich noch besser werden?
- Welchen Einfluss haben andere Menschen in meinem Leben auf mich?
- Wie glücklich wäre ich in 3 Jahren, wenn ich genauso weiter machen würde?
- Wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würde ich dann jetzt machen? Was in einem Jahr?