Der Mensch sehnt sich nach der Erfüllung seiner Bedürfnisse. Diese liegen in Bereichen der Offenheit, Sinnhaftigkeit, Sicherheit, Nähe und Wertschätzung. Vielen Menschen sind ihre Bedürfnisse jedoch oft nicht bewusst. Sie werden unterdrückt und verdrängt von Vorwürfen, Schuldzuweisungen, Vergleichen oder Forderungen. Bleiben unsere Bedürfnisse unbefriedigt, reagieren wir frustriert, sind wütend, hoffnungslos, ängstlich oder nachtragend. So finden wir weder zu uns selbst, noch können wir emphatisch auf unsere Mitmenschen reagieren. Dies ist der ideale Nährboden für verbale, mentale und gar körperliche Auseinandersetzungen. Um Lösungen zu finden ist es immer auch wichtig, sich mit den Ursachen und den verschiedenen Konfliktarten auseinanderzusetzen.
Konflikte gibt es immer
Wir werden in allen Lebensbereichen immer wieder mit (potenziellen) Konfliktsituationen konfrontiert. Gewisse Spannungen gehören zu unserem Alltag dazu, egal ob in der Familie, in Beziehungen oder im Beruf. Bei Begegnungen von mehreren Personen treffen auch immer verschiedene Interessen, Ziele, Vorstellungen und Bedürfnisse aufeinander. Unser Miteinander wird beeinflusst von Sympathie, Antipathie, dem Gefühl nach Nähe und Vertrautheit, aber auch von unserer Tagesform, Vorerfahrungen, Persönlichkeitsmerkmalen und unseren biographischen Prägungen.
Der letzte Punkt ist wohl einer der Wichtigsten, der unser „typisches“ Verhalten in Konflikten erklären kann. Was der Mensch seit seiner Geburt als selbstverständlich erfährt und erlebt, formt auch sein Bild, das er sich von sich selbst und der Welt macht. Wir sind im hohen Maße durch das gesellschaftliche und kulturelle Umfeld geprägt, in dem wir leben. Diese Sozialisation findet schon im Kindesalter durch Eltern, Familie, Schule und Medien statt. Später wird unsere Grundüberzeugung weiter durch unser persönliches Umfeld und den Arbeitsplatz geprägt und gefestigt. All das wirkt sich selbstverständlich auch auf unsere Art und Weise aus, wie wir Konfliktsituationen begegnen.
Konfliktdefinition
Wir sprechen immerzu von Konflikten. Aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Konflikte lassen sich in unterschiedlichsten Ausprägungen in allen Bereichen des Lebens finden. Als Gewissensbisse innerhalb einer Person, als Streit in einer Beziehung, in Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen oder gar als Bürgerkrieg zwischen Regierung und Aufständischen. So unterschiedlich diese Konflikte auch sein mögen, einige Dinge lassen sich verallgemeinern. Dabei umfasst ein Konflikt im theoretischen „Idealfall“ drei Komponenten:
- Ein sich widersprechendes Verhalten der Konfliktparteien, welches den Konflikt anzeigt und ihn verschlimmern kann (beispielsweise Achtlosigkeit, die Verweigerung von Kommunikation, Konkurrenzdenken, verbale und physische Gewalt)
- Interessen und Ziele der Konfliktparteien, die unvereinbar erscheinen (beispielsweise Streben nach materiellem Gewinn oder sozialer Anerkennung)
- Voneinander abweichende Annahmen und Haltungen der Beteiligten darüber, wie der Konflikt entstanden ist, die Bewertung der anderen Konfliktparteien und ihre eigene Rolle innerhalb des Konflikts (beispielsweise Vorurteile, Stereotype und Feindbilder)
Konfliktebenen
Zudem wird zwischen zwei Konfliktebenen unterschieden, nämlich der manifesten (sichtbaren) und latenten (unsichtbare) Ebene. Das sichtbare Verhalten der Konfliktparteien bildet die manifeste Konfliktebene. Die latente Ebene bilden die unsichtbaren Interessen, Ziele, Annahmen und Haltungen der Beteiligten.
Verbildlicht werden kann das ganze gut durch das Eisberg-Modell. Hierfür stellen wir uns einen Eisberg vor, der im Wasser schwimmt. Die manifeste Ebene ist hier der sichtbare Teil des Eisbergs, der aus dem Wasser herausragt und für jeden sichtbar ist. Dazu gehört das Verhalten, unsere Wortäußerungen und die Körpersprache. Der unsichtbare, um einen vielfaches größere Teil liegt unter der Wasseroberfläche und soll die latente Ebene symbolisieren. Hierzu gehören die Interessen, Ziele, Haltungen, Annahmen und Gefühle, aber auch Vorerfahrungen, Glaubenssätze, Wertvorstellungen und Ängste.
Konkret bedeutet das also, dass wir in der Regel am Verhalten der unmittelbar Beteiligten ablesen können, ob diese sich miteinander im Konflikt befinden. Typische begleitende Merkmale sind eine angespannte Atmosphäre, es gibt offensichtlichen oder unterschwelligen Streit bis hin zu verbaler und körperlicher Gewalt. Weshalb die Beteiligten sich aber so verhalten, ist wesentlich schwerer zu erkennen. Die Konfliktparteien und Außenstehenden können oft nur über die Interessen, Ziele und Absichten spekulieren. Nicht selten wollen sie auch absichtlich ihre wirklichen Interessen und Ziele vor ihrem Gegenüber verbergen.
Konfliktarten
Ein Konflikt ist immer ein sehr komplexes Interaktionsgeschehen zwischen Menschen und keine objektive Situation. Ob ein Konflikt entstehen wird, hängt immer von den Wahrnehmungen und den Handlungen der Beteiligten ab. Erst wenn sich mindestens eine Seite in ihrem Entscheidungs- und Handlungsvermögen, in ihrer Sicherheit, ihrem eigenen Selbstverständnis oder Wohlbefinden beeinträchtigt fühlt, kann von einem Konflikt gesprochen werden.
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Konfliktarten, zwischen denen wir unterscheiden können. Hier ein paar der Konflikttypen und eine kurze Erläuterung zu ihnen:
- Interessenkonflikt: Verschiedene, gleichberechtigte Interessen treffen aufeinander. Im weitesten Sinne ist fast jeder Konflikt ein Interessenkonflikt.
- Normenkonflikt: Es treffen sich entgegengesetzte Normen aufeinander. Die Parteien verhalten sich meist unbewusst ihren eignen Normen entsprechend, ohne dass sie ihnen genau bewusst sind. Hierbei spielt ihre Sozialisation wieder eine wichtige Rolle.
- Machtkonflikt: Es geht darum, welche Partei die vorherrschende Macht erringen kann. Typisch hierfür ist ein Sieger und ein Verlierer und wird durch nicht eingestandene Schwächen noch verstärkt.
- Autoritätskonflikt: Der „Unmut“ richtet sich hierbei gegen eine Person, die aus unterschiedlichen Gründen Autorität besitzt (z.B. Alter, Wissen, Funktion, Reichtum). Fühlt sich eine Partei benachteiligt, so leistet sie gegen die Autoritätsperson Widerstand.
- Beziehungskonflikt: Die Beziehung zwischen zwei Parteien ist gestört. Dafür können z.B. Missverständnisse, Gefühlsäußerungen oder Enttäuschungen die Gründe sein.
Dabei ist zu beachten, dass selten ein Konflikt direkt klassifiziert werden kann. Allzu häufig treten Mischformen auf oder ein Konflikt kann sich innerhalb kurzer Zeit weiter entwickeln und verschärfen. Wird er dann nicht in passender Weise gelöst, entsteht eine gewisse Dynamik von Konflikten. Schnell gerät man dann in eine Konfliktspirale, in der der Konflikt immer weiter eskaliert. Dort wieder herauszukommen kann sehr anstrengend sein und bedarf nicht selten einen externen Konfliktlöser und Mediator, um einen guten Weg zum Finden der Ursache und damit einer Lösung.
Konflikte haben aber auch immer eine durchaus positive Aufgabe bzw. Funktion. Jeder Konflikt beinhaltet ein großes Potenzial Veränderungen anzustoßen, die neuen Schwung in verfahrene Situationen bringen können. Konflikte setzen Energie frei, die mit bewusster Steuerung und Kommunikation einer drohenden Stagnation entgegensteuern.